Längst ist es wieder Zeit für einen Blick in meine Blogwerkstatt. Inzwischen findet sich der 80. Beitrag auf meiner Seite. Es wurden weniger im letzten Jahr. Was nicht an einer etwaigen Schreibhemmung liegt. Manchmal lassen Gedanken länger auf sich warten. Zuweilen fordere ich mich selbst auf: Du solltest wieder einmal einen Blogbeitrag schreiben … und mir fällt nichts ein, was der Worte wert ist. Also schweige ich.
Das Schweigen wird mir in den letzten Zeiten wichtig. Ich beginne zu verstehen, was mein Kollege U. Böschemeyer damit meinte, dass es das Schweigen und die Stille brauche. Im Schweigen weitet sich der Raum, in der Stille vertieft sich er Raum, aus dem Worte zu einem kommen oder in dem ich Worte finden kann. In meiner früheren Arbeit im Hospiz schwiegen wir immer wieder, der Gast, den ich begleitete, und ich. Oft schwiegen wir uns zuerst an. Es waren Sätze ausgesprochen, die verstummen ließen. Es fielen Worte, auf die keine Antwort möglich war. Zuerst einmal, zumindest. Also schwiegen wir. Dabei entdeckten wir, das das Schweigen den Worten Raum gibt, in denen sie nachklingen können. Meist traf das nachklingende Wort dann auf einen Gedanken, der den Wiederklang weckte, Resonanz erzeugte, aus der sich neue Worte, Antworten ergaben.
Ähnlich erging es mir mit Nachrichten vom Krieg in der Ukraine oder Texten, die ich gelesen hatte. Bücher, Zeitungstexte, Zeitschriftenartikel klangen nach. Oft lange, bis ich mich entschloss, auf sie einzugehen, zu resonieren und zu raisonnieren. Ein Blogbeitrag entstand.
Dabei erlebe ich mich immer wieder sehr ungeduldig. Am liebsten mag ich den Text einfach hinschreiben. Manchmal gewährt mir ein schwarz-weißer Traum einen fast publikationsfähigen Text, den ich aus dem Gedächtnis niederschreibe. Oft vertiefe ich mich, vor allem seit ich wieder viele philosophische Bücher lese, in Texte, finde zu einem Text einen nächsten, kommentierenden, widersprechenden, vertiefenden oder weiterführenden. Meine Ungeduld wächst. Schließlich schreibe ich, überarbeite noch einmal, korrigiere letztlich. Und dann stelle ich den Beitrag in den Blog. Im Rückblick scheint das Schreiben, das anfangs leicht und elegant ging, auch Arbeit geworden zu sein, Gedankenarbeit, Lesearbeit, Denkarbeit, Schreibarbeit. Auch deshalb werden die Beiträge weniger.
Wenn ich einen Text verfasst habe, bin ich zufriedener Verfassung. Ich mag meine Texte auf vielfältige Art. Auf manche bin ich stolz. Auf andere blicke ich zufrieden. Einige empfinde ich als Wagnis. Selten zögere ich, einen Text in den Blog zu stellen. Es ist mein Blog, auch wenn er von der „Epimeleia“, von der Sorge um … spricht. Bei dem französischen Philosophen und Soziologen Michel Foucault lernte ich inzwischen, dass „Epimeleia“ in der antiken Kultur etwas Öffentliches war. Die Sorge um das Leben und einen selbst wurde mitgeteilt, zur Diskussion gestellt, auch einmal lehrend vorgetragen. In meinem Blog greife ich also eine antike Tradition auf, die über die neuzeitliche Essayistik bei Montaigne oder Voltaire, später dann von Kassner und Musil weitergeführt wurde. Meine Beiträge im Blog sind oft Essays zu einem Thema, die Sie, geschätzte Leser:innen, hoffentlich auch weiter goutieren werden.